Staub : neu

Draht : Eisen : Motorengeräusch
hier bin ich & bleibe
ein Steinchen : das gemahlen wird
zu Staub : neu zusammengemischt
aus Erde & Wasser : ich sehe
den Himmel wie einen Fetzen Stoff
der im Wind flattert : am Morgen
gibt es kein Heute : die Zeit
verdichtet sich zu einem Zwerg
der ums Feuer tanzt & schreit : ach wie
gut : daß niemand scheißt : ich
hole dich : ich hole dich : du
abgezehrter Königssohn

Alberto Cahier
geb. 1916 in Lissabon, Kindheit in Durban beim Stiefvater, Studium der Literaturwissenschaft in Lissabon, Handelskorrespondent, bisher einzige Veröffentlichung: Die Rolle des Naiven in der Bauernlyrik. Ein Abriß

8 Kommentare

  1. Die klassizistische Fassade des städtischen Krankenhauses erstreckte sich über mehrere Straßenzüge. Esther hatte sich bei jedem ihrer Besuche gefragt, was im Einzelnen sich wohl hinter den Fensterreihen verbarg. Sie begann damit, einzlnen Gebäudeabschnitten Namen zu geben, ihnen eine Funktion zuzuteilen, unabhängig von den Plänen, die im Foyer des Haupteinganges hingen.
    Ein seltsamer Gedanke, dass die vertraute Welt nur noch betrachtet, aber nicht mehr in Worten, ganzen Sätzen ausgedrückt werden konnte. Vyvyan war durch seine Krankheit so ganz und gar Körper geworden. Vielleicht würde er seine Bilderserie von ihr niemals beenden.

  2. Und wenn Prometheus sich an des Zeus‘ Gebote gehalten hätte, dann gäbe es keinen Draht, kein Eisen, kein Motorengeräusch. Vielleicht hätte Prometheus erst einen Kurs geben müssen, eine Schule über die ethische Verwendung des Feuers, ein Studium der Zukunft, eine Technikfolgenabschätzung. Und dann wäre die Zeit zufrieden.

  3. Gleich, nachdem Sie vom Sopha gestiegen waren, fragten Sie mich nach dem Preis, und ich nannte Ihnen den Preis, worauf Sie voller Empörung ausriefen, was, das kostet so viel, und ich entgegnete Ihnen, ja, das kostet soviel, da darf sich niemand unter Wert verkaufen und mir bleibt noch ein bleiches Dekoltee, gehen Sie doch woanders hin, wenn sie’s dort billiger machen, mein Wert liegt mir in den Fingerspitzen, Sie werden es schon noch merken, sobald Sie forschen, da gaben Sie mir den Abschied und das Geld. Machen Sie, dass Sie in den Keller kommen, sagte ich Ihnen, und Sie mussten in den Keller gehen, um das Wasser auszugießen.

  4. Wir gingen also in den Keller, und wir nahmen die Kanne mit, um das Wasser auszugießen. Auf der Treppe blieben wir stehen. Wir wollten nicht in den Keller. Wir wollten hinaus, wir wollten auf die Straße, wir wollten es der Zeit zeigen, ihren geschlossenen Türen und ihren Tabus. Und verschrotteten unsere Autos, und wir schworen uns, nur noch zu Fuß zu gehen, nie zu fliegen, höchstens den Bus zu benutzen oder die Bahn, und das haben wir gehalten, bis heute, auch wenn uns alle für verrückt erklärt haben. Wir fahren mit dem Bus, weil wir dort die Zeit treffen, und wir trinken mit ihr einen heißen Tee aus unserer Thermoskanne.

  5. Wir wären doch lieber in den Keller gegangen, denn unter dem Keller lag ein zweiter Keller und dann ein dritter und so immer weiter. Wir wussten nicht, wie viele Keller es gab, wir hatten sie einst gebaut und vergesen. Wir haben Gerücht gehört von Kellern, die wir glauben müssen. In einem sollen nur Krüge mit Wasser stehen, reines Wasser, welches die legendäre Königin von Saba in einem komplizierten alchimistischen Prozess hergestellt hatte, das dreißig Jahre kochen musste, und immer mussten drei Musiker dabei stehen und spielen. In einem anderen Raum stehen Statuen, solche, wie auf der Osterinsel zu finden sind, aber die Wände dieses Kellers sind überzogen mit einer Schrift, die von uns keiner lesen kann. Einer dieser Räume enthält nur zwei Worte: KEB KIRTAP. In den meisten Kellern aber stehen Maschinen, archimedische Schrauben, einst das Wissen, die Technik der Zeit, für uns jetzt Gerümpel. Wir bauen neue Räume, immer neue Räume, und mit jedem neuen wird ein alter zum Keller. Es soll da unten jemanden geben, der sich durchgräbt, der einen Weg von hier bis zur tiefsten Katakombe anlegt. Wir stiegen aus dem Bus, gingen zurück, stiegen hinab, ihn zu suchen. Wir nahmen unsere Werkzeuge mit, die Meißel, die Hämmer, nahmen Holz mit, um die neue Gänge abzustützen, wir trennten uns, ihn zu finden, wir verloren uns.

  6. neulich war ich wieder im keller. mit den jahren hatte ich etliche kartografische muster angelegt, und so wusste ich ungefähr, dass dieser keller die nr. 2489745 trug und sich in etwa der -47 etage befand. der keller war zu klein für meine bedürfnisse, auch die weniger dringichen. die nische war rund, die wände grün gestrichen. wie ich das alles ohne licht sehen konnte? nun, es herrschte licht in diesem keller. sogar unmenschlich viel licht. denn der keller war, wie ich jetzt feststellen konnte, ein badezimmer. es badete gustav karl in seiner wanne und las mir den aktuellsten text aus den inskriptionen vor. das hatte ich nicht erwartet. ich hielt den atem an und fragte mich, wie lange ich lauschen müsste, bis auch dieser text an die nächsttiefere stelle rückte. karl gustav blieb nüchtern und klar, seine haut war mit badeschaum bedeckt, die brille sonderbar geputzt. die sonne leuchtet wie ein offenes feuer. wie gesagt, badezimmer, nicht keller. wie konnte ich mich so verzetteln.

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