Mission: Genital

Schief lächelnd öffnet die ältliche Sekretärin ihrer Freundin in einem schwarzen, bis zum Hals zugeknöpften Kleid die Tür. „Herta, verdiente Kampfgenossin und Schwester in Bitterkeit, gegrüßt sei dein distinguierter Hass auf alles Gönnerhafte! Was sagst du, gehen wir heute wieder Tauben vergiften im Park?“

Ihr Gegenüber, einige Jahre jünger, doch mit einem ins Ungewisse flackernden Blick, erwacht ganz plötzlich: „Ach, Sieglinde, verehrte Lehrmeisterin des Zynismus! Ich fürchte, wir verbrauchen unser Arsen in letzter Zeit zu verschwenderisch, Maß halten ist wieder angesagt. Aber ich habe schon eine andere Idee! Du kennst doch den stets herumtollenden jungen Hund meines räudigen Nachbarn, dieses verdammten Idealisten! Immer schwingt der voller Enthusiasmus seine Reden, zaubert Begeisterung auf die unbeschriebenen Gesichter jungen Dinger – und das schlimmste ist, er glaubt auch selbst noch daran, was er sagt! …denkst du, was ich denke?“

„Erteilen wir ihm eine Lektion, die ihm das verlogene Schwänzeln um diese dummen Puten vergehen läßt und ihm ihm zeigt, wie die Welt da draußen wirklich ist!“
Zwei Tage später im Park: Herta und Sieglinde hocken hinter einem Busch. Eine hält eine Pfeife und eine Tuch , die andere eine Wurst und eine Schere. Einige Meter entfernt steht ein lachender junger Mann, um ihn herum drei feixende Frauen. Zu ihren Füßen spielen diverse Hunde, jagen hin und her. Herta streckt sich leicht und pfeift mit einer Hundepfeife, identisch mit jener, die, wie sie beobachtet hat, der junge Mann auch benutzt. Ein schmaler, schwarz-weiß gefleckter Hund mit lockigem Fell löst sich von der Gruppe und trottet, leicht sabbernd, fragend ins Gebüsch.

„Herta, halt ihn fest und bind ihm das Maul mit dem Tuch zu! Mach schnell, die Wurst ist fast verputzt!“ „Erledigt. Und nun zum Eingemachten! Ich dreh ihn dir hin!“ „Wo muss ich schneiden, Herta? Ich seh nur Fell und Reste von Kot!“ „Da, da unten irgendwo.“ Herta reckt ihren Kopf.  „Beeil dich, ich hab das Gefühl der verdammte Kerl will bald zu der nächsten Gruppe Backfische vorstoßen!“

Sieglinde macht die Augen zu. Blut spritzt ihr ins Gesicht und auf die Bluse. Der Hund jault erbärmlich. Herta umklammert, so fest sie kann, das Tuch. Sie fragt sich, ob sie sich das Knacken eingebildet hat. Der junge Mann sieht sich irritiert um. Die umstehenden Mädchen bemerken seine Unruhe und bieten ihm an, bei der Suche zu helfen. Sieglinde und Herta kauern weiterhin blutverschmiert im Gebüsch.

„Lola? Loooola! Wo bist du?“ Der junge Mann bewegt sich, zunehmend verunsichert in seine Pfeife pustend von ihnen weg. Eines der Mädchen nährt sich jedoch langsam, leicht abwesend dem Versteck. „Lola, Schnuckiputzi? Bist du hier?“ Herta schaut Sieglinde an, Sieglinde Herta. Sie nickt.

„Mathilde? Maaaathildeee!“ „Loooola? Lolaaaa!“ Immer mehr Menschen durchkämmen rufend den Park. Die Sonne neigt ihr Haupt. Herta starrt in den roten Ball. Als ob er zottliges Fell hätte. Blondes Haar. Tauben ziehen am Himmel vorbei. Sieglinde schluckt und fällt nach vorn.

Vereinsamte Tropfen entlaufen der Flasche in ihrer steifen Hand. Herta schreckt auf, sieht die Schere am Boden liegen. Geglückte, gleißende Flucht. Sonne, Savanne, eine Hütte. Ach, Afrika, denkt sie, ist doch so nah.

 

Lou Reed, The Gift
Georg Kreisler, Tauben vergiften im Park
Elliot Rodger, Manifest

Faron Bebt
schreibt Geschichten mit bunten Botschaften und einem hartem Kern. Immer etwas dogmatisch, aus der Zeit gefallen, verstörend verträumt - wie letzte, angemalte Großstadtbunker --Farbbeton.

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